Es gibt haufenweise BĂŒcher ĂŒber die englischen Entdecker des 19. Jahrhunderts, und es gibt jede Menge BĂŒcher ĂŒber die Gegenden, die sie bereist haben. Ein Buch jedoch, das beides gleichberechtigt behandelt, findet man selten: Barrow's Boys ist eines davon. Was der britische Bestsellerautor Fergus Fleming ĂŒber John Barrow, den in Vergessenheit geratenen "Vater der Entdeckungsreisen", und seine waghalsigen Expeditionen in sĂ€mtliche Kontinente der Erde zusammentrĂ€gt, ist eine Entdeckungsreise fĂŒr sich -- eine Ă€uĂerst spannende und empfehlenswerte obendrein. Zwischen Niger-Erforschung und der verzweifelten Suche nach der Nordwestpassage fragt man sich als Leser, wie viele Monate der Autor wohl in dĂ€mmerigen Archiven und BibliothekssĂ€len zugange war, um Abertausende von Schiffsjournalen, Briefen, TagebĂŒchern und Aufzeichnungen nach lesenswertem Material durchzuforsten: Es mĂŒssen etliche gewesen sein, denn Fleming geht mit unverschĂ€mter Genauigkeit zur Sache, wobei er nicht nur individuelle und politische Beziehungen beleuchtet, sondern die Ereignisse auch in das beginnende Zeitalter der Industrialisierung und somit in einen globalen Kontext einordnet. Alles in allem ist Barrow's Boys eher ErzĂ€hlung (zuweilen richtig britisch-humorvoll) denn Biografie, wenngleich alle 28 Anekdoten mit Barrow, dem Zweiten SekretĂ€r der Englischen AdmiralitĂ€t, verknĂŒpft sind. Das Faszinierende an diesem ehemals mĂ€chtigsten Mann der Royal Navy besteht darin, dass er zwar Dutzende halsbrecherischer Expeditionen veranlasste, aber selbst so gut wie nie bei den bisweilen lebensgefĂ€hrlichen Unternehmungen dabei war. Ist der Vater der Entdeckungsreisen also ein SchreibtischtĂ€ter? Wenn man so will, ja. Doch gleichzeitig war Barrow auch VisionĂ€r, wenn auch einer der besonderen Art. Denn seine Visionen finden sich irgendwo zwischen surrealer Romantik, groĂen Hoffnungen und bodenloser Dummheit. Oder wie nennt man das, wenn Mitglieder des Expeditionsteams scharenweise erfrieren, ertrinken, von Skorbut, Schwarz- oder Gelbfieber dahingerafft und ermordet werden -- oder sie sich völlig verzweifelt gegenseitig vor Hunger aufzufressen beginnen? Und derjenige, der alles verantwortet, plant gerade ein noch waghalsigeres Unternehmen. --Leon Heissik Quelle:
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