Als Joschka Fischer 2006 sein Bundestagsmandat zurückgab, da tat er dies mit dem Hinweis, mit ihm verlasse der letzte Rock-‘n’-Roller die politische Bühne der Bundesrepublik. Auch wenn Franz Josef Strauß mit Joseph Fischer politisch inhaltlich nur sehr wenig verbunden haben mag -- ein Rock-‘n’-Roller war, in gewisser Weise, auch er: Eine wahrhaft schillernde Persönlichkeit, die, ausgestattet mit einer außerordentlichen Schlagfertigkeit und brillanten Rhetorik, Politik mit einer naturwüchsigen Leidenschaft betrieb, wie man sie heute kaum mehr erlebt. Werner Biermann hat sich über Jahre intensiv mit dem Machtmenschen Strauß beschäftigt und zieht mit Strauß. Aufstieg und Fall einer Familie die lesenswerte Summe seiner Recherchen, die nicht zuletzt zeigt, weshalb die politischen Karrieren seiner Kinder am Ende an seinem Erbe scheitern mussten. Strauß gehörte schon bald nach dem Beginn seiner politischen Karriere zu den prägenden Figuren der bundesrepublikanischen Nachkriegspolitik. Er gehörte zu den maßgeblichen Kräften, die die Wiederbewaffnungspolitik Adenauers mit durchsetzten. In den Unionsparteien wurde er bereits als Adenauers Nachfolger gehandelt, als er im Zusammenhang mit der von ihm selbst verschuldeten Spiegel-Affäre von seinem Amt als Verteidigungsminister zurücktreten musste -- weniger wegen der Affäre selbst, als wegen seines Versuchs, das Parlament über seine persönliche Verantwortung gezielt zu täuschen. In der Folgezeit stellte sich Strauß gerne als Opfer einer Verschwörung der Presse dar, hinter der er vorzugsweise Kommunisten und andere Verfassungsfeinde am Werke sah. Die waren seiner Meinung nach 1980 natürlich auch Schuld daran, dass er im Kampf um das Kanzleramt gegen Helmut Schmidt unterlag. Dass dann aber ausgerechnet er den Fortbestand der DDR durch einen von ihm eingefädelten Milliardenkredit für ein paar Jahre sichern half, gehört zu den jähen Wendungen ins Abwegige, mit denen Strauß die Welt immer wieder verblüffte. Im Rückblick verblüffend erscheint bei der Lektüre auch, mit welcher Selbstverständlichkeit Strauß in Bayern zum ungekrönten König aufstieg, der sein Wirken als Ministerpräsident ungestraft mit einem geradezu dynastischen Machtanspruch aufzuladen verstand. Völlig folgerichtig dagegen erscheint die Tatsache, dass sich seine Kinder in ihrem kindlichen Glauben, das System Strauß funktioniere auch nach dem Tod des Vaters weiter, in dessen Schatten verirrten. Zu sehr hatte der Patriarch sie der Realität entrückt, in die sie sich nun nicht mehr fügen konnten. So kulminierten letztlich der Aufstieg und der Fall der Familie Strauß in einer einzigen, einzigartigen Person. --Andreas Vierecke Quelle:
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