Man möchte heutzutage gar nicht mehr wissen, wie viele Leichen noch in den Kellern diverser Mächte und ihrer Geheimdienste schlummern. Ironischerweise ist es in dem Spionagethriller des isländischen Bestsellerautoren Arnaldur Indridason Europas größter Gletscher Vatnajökull, der den amerikanischen Geheimdienst und die Streitkräfte der US-Basis Keflavik in Alarmbereitschaft versetzen. Denn der Gletscher beginnt 1999 –- zehn Jahre nach Ende des „Kalten Krieges“ –- plötzlich zu schmelzen und gibt mit dem Wrack eines abgestĂĽrzten Militärflugzeugs ein Geheimnis preis, das er seit dem Zweiten Weltkrieg unter seinem Eis verwahrt hatte. Der militärische Geheimdienstchef Carr, der weiĂź, welche katastrophalen Folgen die Aufdeckung der Wahrheit einer geheimen Mission vor ĂĽber fĂĽnfzig Jahren haben könnte, setzt daraufhin alle politischen und geheimdienstlichen Hebel in Bewegung, um die Angelegenheit vor der Ă–ffentlichkeit zu verbergen. Doch während den Bergungsarbeiten gerät Carrs skrupellosem ErfĂĽllungsgehilfen Ratoff und dem aufwändigen Spezialkommando die Aktion aus dem Ruder. Ratoff sieht sich bald nämlich nicht nur zufällig eines ReykjavĂker Bergnotrettungsteams gegenĂĽber, sondern auch der jungen KristĂn. Sie bangt um ihren Bruder, der als Mitglied dieses Bergteams spurlos verschwindet, nachdem er ihr ĂĽber GPS-Handy von den mysteriösen Aktivitäten auf dem Gletscher berichtet hatte. Daraufhin setzt Ratoff ein Killerkommando auf die ahnungslose KristĂn an, so dass diese panikartig flĂĽchten muss. Während sie von den Agenten verfolgt wird, sieht sie ihre einzige Chance darin, dieser albtraumhaften Geschichte selbst auf den Grund zu gehen ... In Gletschergrab stellt Arnaldur Indridason eindrucksvoll dar, wie ĂĽbel unschuldigen Menschen durch die Machenschaften von Geheimdiensten mitgespielt wird. Seine bissigen Anspielungen auf die anhaltende Militärpräsenz der USA und deren Gebaren auf Island, lassen nur vordergrĂĽndig anti-amerikanische ZĂĽge erkennen. HintergrĂĽndig klagt er viel mehr eine hoffnungslos verlogene und desillusionierende GroĂźmachtpolitik an, die schlicht ĂĽber Leichen geht. Gletschergrab (im Original bereits 1999 erschienen) nimmt so in Form einer Parabel vorweg, wozu unumschränkte Machtpolitik fähig ist. Die Moral von Indridasons intelligentem Spionagethriller kommt deshalb am besten in den Worten des militärischen Geheimdienstchefs Carr zum Ausdruck: „Es gibt heutzutage keine Wahrheiten mehr, wenn es denn jemals welche gegeben haben sollte. Wahrheit und LĂĽge sind nur Instrumente in unseren Händen. FĂĽr mich besteht da kein Unterschied. Man könnte sagen, dass wir in gewissem Sinne so etwas wie Historiker sind, die etwas von den Fehlern dieses in den letzten ZĂĽgen liegenden Jahrhunderts korrigieren. Es hat nichts mit irgendeiner Wahrheit zu tun, denn sie spielt ĂĽberhaupt keine Rolle mehr. Wir gestalten die Geschichte so, wie es uns passt...“ --Christian Koch Quelle:
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