Wenn es stimmt, dass Computerspiele, Fernsehen und überhaupt die Popkultur uns verblöden, weshalb nimmt dann eigentlich trotzdem die durchschnittliche Intelligenz des Menschen immer noch zu? Ganz einfach, lautet die Antwort Steven Johnsons, weil die These von den negativen Auswirkungen der Popkultur insgesamt, sowie die angeblichen Schadwirkungen von Computerspielen und Fernsehen auf die intellektuellen Fähigkeiten von "Gamern" und TV-Konsumenten nichts als moderne Mythen sind. In Wahrheit, so Johnson, ist das genaue Gegenteil der Fall: Die immer komplexeren Computerspiele fordern von den Spielern immer intelligentere Spielstrategien und entwickeln in der Summe zahlreiche kognitive Fähigkeiten, die ohne solche Spiele wenig bis kaum stimuliert würden. Ähnliches gilt für Fernsehsendungen, insbesondere solche für Kinder. Auch die haben, was ihren Wert für die kognitive Entwicklung angeht, entgegen dem weitverbreiteten Vorurteil von dem sich beschleunigenden Qualitätsverfall des Fernsehens, in den vergangenen Jahrzehnten ebenso beständig wie deutlich an Qualität gewonnen. Auch die beliebten Erwachsenenserien seien inhaltlich erheblich komplexer geworden: Während beispielsweise in den siebziger Jahren die Macher von "Starsky and Hutch" noch mit zwei Charakteren und einem linearen Erzählstrang ausgekommen seien, müsse man als Zuschauer der "Sopranos" heute schon fünf parallele Handlungsstränge und mindestens ein Dutzend Figuren im Auge behalten. Vom Zuschauer wird also mehr kognitive Aufmerksamkeit verlangt, die so trainiert und à la longue auch verbessert wird. Johnsons nur auf den ersten Blick "provokatives" Buch macht auf eine sehr unterhaltsame Weise deutlich, dass Medienkompetenz heute mehr bedeutet als die Fähigkeit lesen und schreiben zu können und das derjenige seine intellektuellen Fähigkeiten am besten entwickelt, der sämtliche Medien, auch jene, die vorderhand "nur" der Zerstreuung dienen, zu nutzen versteht. Das haben wir uns zwar auch zuvor schon irgendwie gedacht, aber so pointiert und wissenschaftlich fundiert hat uns das noch niemand vor Augen geführt. -- Hasso Greb Quelle:
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