Wenn von angesehenen Publikationen wie dem Spiegel oder der Zeit die Rede ist, werden gerne Schlagwörter wie "Sturmgeschütz der Demokratie" oder "Flaggschiff des Qualitätsjournalismus" zitiert. Aufgezeigt zu haben, dass der Weg zu einer liberalen Presselandschaft im Nachkriegsdeutschland beileibe nicht so glatt verlief, wie solche Ruhmesworte es suggerieren, ist das Verdienst der von Lutz Hachmeister und Friedemann Siering herausgegebenen Essay-Sammlung Die Herren Journalisten. Die Elite der deutschen Presse nach 1945. Dass es bei FAZ, Zeit und Spiegel oft bis weit in die 50er-Jahre personelle (und gelegentlich auch inhaltliche) Kontinuitäten zum Journalismus des Dritten Reiches gab, wird von den betreffenden Verlagshäusern, die sich sonst gerne als Verfechter von Transparenz und Aufklärung geben, nur äußerst widerstrebend thematisiert. Selbst vergleichsweise kritische Selbstdarstellungen wie die Die Gruner + Jahr Story des langjährigen G+J-Journalisten Wolf Schneider werfen in dieser Hinsicht "weit mehr Fragen auf als sie Antworten" geben, wie Nils Minkmar in seinem lesenswerten Beitrag über die "Erfindung" des Sterns durch Henri Nannen schreibt -- Erfindung deshalb in Anführungszeichen, weil es bereits zu NS-Zeiten eine gleichnamige Zeitschrift gegeben hatte, auf die Nannen (marken-)bewusst rekurrierte. Der ehemalige Spiegel-Kolumnist Otto Köhler hat in seiner jüngst, kurz vor Augsteins Tod erschienenen Polemik Rudolf Augstein. Ein Leben für Deutschland daran erinnert, dass der Spiegel-Herausgeber in den Nachkriegsjahren, um an Insider-Informationen zu kommen, nicht davor zurückschreckte, sich alter Nazi-Seilschaften zu bedienen. Auch Lutz Hachmeister, der dieses Thema bereits in seiner Habilitationsschrift Der Gegnerforscher behandelt hat, geht in einem Beitrag für den vorliegenden Band -- weitaus sachlicher als Köhler -- auf die Vorgänge ein. Unter dem Titel "Ein deutsches Nachrichtenmagazin" analysiert der ehemalige Leiter des Adolf-Grimme-Instituts die frühen Spiegel-Jahre und weist dabei en passant auf einen ganz pragmatischen Grund hin, der Verleger dazu bewog, sich die Dienste braun vorbelasteter Mitarbeiter zu sichern: Auflagensteigerung. Und so wusch oft eine Hand die andere: Als die "Organisation Gehlen" -- der Vorläufer des BND -- gegründet wurde, machte der Spiegel skrupellos PR für Gehlen, "dafür versorgte dessen Geheimdienst das Blatt mit Tipps und gezielten Informationen, die dem an politischer Steuerung brennend interessierten BND-Chef dienlich waren". Und warum findet selbst in Enthüllungsblättern wie Spiegel oder Stern so wenig vergangenheitsbezogene Selbstreflexion statt? Zum einen natürlich, weil es gilt, die überlebensgroßen Denkmäler der Gründer-Persönlichkeiten Augstein, Nannen und Co. vor der Erosion zu bewahren. Auf einen anderen, ganz banalen Umstand, verweist Hachmeister in seiner weit ausgreifenden und dennoch pointierten Einleitung: Die Elitepublizistik, schreibt er, habe zeithistorische Recherchen über sich selbst bislang auch deshalb weit gehend verhindern können, weil sie mit der Geschichtswissenschaft "über attraktive Publikationsflächen und Reputations-Interessen eng verkoppelt ist". Dass außer Hachmeister nur zwei der zehn Beiträger im universitären Bereich arbeiten, ist aber sicher Zufall. --Axel Henrici Quelle:
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