Kepels Schwarzbuch des Dschihad, in dem er zunächst noch einmal den Aufstieg und die Blüte des Islamismus Revue passieren lässt, um anschließend die Indizien für dessen bevorstehenden Niedergang vor dem staunenden Publikum auszubreiten, ist lange vor dem 11. September verfasst worden. Die französische Originalausgabe war bereits seit einigen Monaten im Handel, als mit den Anschlägen von New York und Washington die darin vorgetragene hoffnungsfrohe Diagnose -- zumindest vorläufig -- widerlegt wurde. Gleichwohl sollte man Kepels Buch nicht allzu schnell mit dem Hinweis auf das jüngste Fanal islamistischen Terrors vom Tisch wischen! Es handelt sich trotz der anscheinenden Unzeit für seine Generalthese um eine profunde Arbeit über die Grundlagen des Islamismus, seine Geschichte, Gegenwart und auch seine Zukunft.

Indiz für den Niedergang des Islamismus ist für den Autor vor allem der von ihm beobachtete schwindende Zusammenhalt in und zwischen den unterschiedlichen, vom militanten Islamismus ursprünglich gleichermaßen beeinflussten sozialen Schichten und Gruppierungen. Auch wenn die weltweiten und sehr heftigen muslimischen Reaktionen auf den antiislamischen Krieg der USA und ihrer Verbündeten gegen den Terror Kepels These als verfrüht erscheinen lassen, sprechen doch viele der vorgetragenen Argumente und Fakten bei genauer Betrachtung dafür, dass die soziale Basis des Islamismus tatsächlich dünner zu werden beginnt. Dies gilt ganz offenkundig bereits heute für die Türkei, aber auch für den Iran und absehbar auf mittlere Frist auch für eine ganze Reihe anderer Länder. Weniger überzeugend dagegen erscheint die vom Autor vorgetragene Hoffnung auf eine generelle Demokratisierung der islamischen Staatenwelt. Zu groß scheinen hier die Gegensätze zwischen demokratischer und islamischer Rechtsauffassung. Doch auch in diesem Punkt ließen wir uns nur allzu gern eines Besseren belehren. --Andreas Vierecke
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