Die Berliner Mauer werde "notfalls noch hundert Jahre stehen" verkĂŒndete Erich Honecker im Januar 1989 selbstbewuĂt, doch nur wenige Monate spĂ€ter wurde ihr Fall zum Symbol der gewaltlosen Wiedervereinigung Deutschlands. Knapp zehn Jahre danach ist die Mauer fast völlig aus dem Stadtbild Berlins verschwunden. Mit ihrem Verschwinden beginnen auch die Erinnerungen an ein Bauwerk zu verblassen, das stets mehr war als "nur" eine innerdeutsche Grenze: Mit deutscher GrĂŒndlichkeit errichtet und (fast) zur Perfektion ausgebaut, war die Mauer der Inbegriff des Eisernen Vorhangs, der Europa, ja die ganze Welt seit 1947 in gegensĂ€tzliche Lager teilte, und an dem sich zwei hochgerĂŒstete MilitĂ€rbĂŒndnisse gegenĂŒberstanden. JĂŒrgen Ritter (Fotos) und Peter Joachim Lapp (Text) wollen mit ihrem Buch Die Grenze. Ein deutsches Bauwerk dem Vergessen entgegenwirken. Kenntnisreich und mit sicherem Blick fĂŒr wesentliche Details skizziert Lapp die politische Geschichte dieser Grenze. Er beschreibt den Auf- und Ausbau der Sperranlagen und ihre Perfektionierung in den achtziger Jahren. Ritter gelingt es, den historischen Fakten Leben einzuhauchen. Seine Fotos dokumentieren den Alltag der Grenzbevölkerung in Ost und West und zeigen, wie ganze Landschaften von Sperranlagen zerschnitten, Dörfer und Familien geteilt wurden. Mit den stĂ€rksten Eindruck hinterlassen aber die Tabellen und Statistiken im Anhang des Buches. Die Berliner Mauer und die hermetisch abgeschlossene innerdeutsche Grenze waren mehr als 1550 km Betonplattenwand und Metallgitterzaun mit SignaldrĂ€hten, Todesstreifen und Hundelaufanlagen, mit Lichtsperren, WachtĂŒrmen, UnterstĂ€nden und SperrgrĂ€ben und zeitweise mit Minenfeldern und SelbstschuĂanlagen. Ăber 500 Todesopfer des Grenzregimes haben die Strafverfolgungsbehörden ermittelt, andere SchĂ€tzungen liegen höher. Die nackten Zahlen vermögen einen ungefĂ€hren Eindruck zu vermitteln von dem enormen volkswirtschaftlichen Aufwand der notwendig war, um ein ganzes Volk einzusperren. Und sie dokumentieren den Irrglauben eines Regimes, das seine fehlende nationale Legitimation durch Stacheldraht und lĂŒckenlose Ăberwachung kompensieren wollte. --Stephan Fingerle Quelle:
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