"Mit seiner letzten, umfassenden Systematisierung der Herrschaft der römischen Aristokratie" steht er "am Scheitelpunkt der späten Römischen Republik. Sein Schatten liegt über der ganzen folgenden Epoche, mochten sich seine überragenden Nachfolger, Caesar und Augustus, auch noch so sehr von ihm distanzieren": Lucius Cornelius Sulla (138-78 v. Chr.), dessen skrupellose Herrschaft im einhelligen historischen Urteil ein Terrorregime war. Wer es wagte, sich in politische Opposition zu ihm zu setzen, wurde ohne viel Federlesen entrechtet, sein Vermögen eingezogen. Was weiterhin mit ihm geschah, wurde dem Belieben bestellter oder sich selbst bestellender Peiniger überlassen. So bedenken- und rücksichtslos Sulla dabei war, so unbeirrbar war sein stetes Bemühen, die Herrschaft des römischen Senats zu festigen und gegen alle staatszersetzenden Tendenzen zu verteidigen. Auch muss von seiner persönlichen aristokratischen Erscheinung ganz zweifellos erhebliche Faszination ausgegangen sein. Der Marburger Historiker Karl Christ, dem wir unter anderem bereits glänzende Studien über Caesar und die Geschichte der römischen Kaiserzeit verdanken, zeichnet in seiner ebenso glänzenden Sulla-Biografie ein sehr detailliertes Bild von der fassettenreichen Persönlichkeit des Diktators -- und beleuchtet zugleich das politisch-gesellschaftliche Kräftefeld, in dem er agierte. Hatte Sulla es mit beeindruckender Souveränität vermocht, die Herrschaft des Senats gegen Angriffe von außen ebenso wie gegen die Zersetzung von innen zu schützen, so offenbarte sich nach seinem Rücktritt und baldigen Tod sehr schnell die tatsächliche politische Impotenz dieses Gremiums und der darin versammelten Einzelinteressen. Christ kommt in seiner Untersuchung zu dem überzeugenden Ergebnis, Sulla sei zwar einerseits trotz seiner machtpolitischen Fähigkeiten letztlich kein "großer Politiker" gewesen. Andererseits könne man die historisch eminente Bedeutung der sullanischen Politik kaum überschätzen. So schreibt Christ: "Die Grundwidersprüche des Diktators liegen darin, dass er nur im eigensten Interesse und in jenem seines Heeres handelte. Er errang Macht und behauptete sie, um seinem persönlichen Ehrgeiz zu folgen. Doch derselbe Mann wurde darüber zum effizienten Bewahrer und Erneuerer der traditionellen Gesellschafts- und Staatsstrukturen. In seiner eigenen Person wie in seinem Verhalten und Handeln bewies Sulla ungewollt die historische Notwendigkeit einer monarchischen Leitung des republikanischen Imperiums." --Andreas Vierecke Quelle:
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