Fritz K., das war Fritz Kiehn, Zigarettenpapier-Fabrikant aus Trossingen, einer der schillerndsten Repräsentanten der württembergischen NSDAP und nach 1945 einer der prominentesten Entnazifizierungsfälle des Landes. 1980 starb er als hochangesehener Ehrenbürger und Wohltäter seiner Heimatstadt. "Ein charakteristisches Merkmal" von Kiehns Leben sehen die Autoren im steten "Ineinandergreifen von lokaler und 'großer' Politik, von persönlichen Geschäftsinteressen und wirtschaftspolitischen Vorgaben des Regimes, von Familienangelegenheiten und sozialem Kalkül". Dieser Facettenreichtum ist es, der Kiehns Biographie so reizvoll macht, und der tiefe Einsichten in das Binnensystem der NS-Herrschaft gewährt. Kiehns "unbedingter Aufstiegswunsch", überschattete alle anderen Wesenszüge. Aus einfachen Verhältnissen stammend, übernimmt er 1920 die Herstellung und den Vertrieb von Zigarettenpapier, eines gerade in Krisenzeiten höchst einträglichen Produkts. Die Anerkennung der "besseren Kreise" bleibt ihm freilich verwehrt. Kiehn wendet sich der Politik zu, avanciert zum "rührigen Aktivisten und bedeutenden Geldgeber" der NSDAP, wird Präsident der Württembergischen Wirtschaftskammer und findet schließlich Aufnahme im Persönlichen Stab Himmlers und im "Freundeskreis Reichsführer-SS". Dies verschafft dem "Parteibuchindustriellen und skrupellosen 'Arisierer'" jenes Maß an Protektion, das ihm trotz dubioser Geschäfte das politische Überleben sichert. Seine Rolle als "Führer der gesamten Wirtschaft Süddeutschlands" behindert den sozialen und wirtschaftlichen Wiederaufstieg nach dem Krieg nur vorübergehend. 1949 als "minderbelastet" eingestuft, und dank eines großzügigen staatlichen Kredits auch unternehmerisch wieder erfolgreich, gerierte sich Kiehn nun als großbürgerlicher Mann von Welt. Über seine Nazivergangenheit wird großzügig hinweggesehen, stattdessen sein "im Vergleich zu anderen NS-Größen humanes Verhalten" öffentlich gelobt. Ein Musterbeispiel jener Nachsicht und Ignoranz, die im Umgang mit "braunen" Unternehmern in Deutschland noch immer an der Tagesordnung ist.--Stephan Fingerle Quelle:
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