Irgendwann ist auch der Interviewer ganz ermattet angesichts des Facettenreichtums, den sein Gegenüber aufweist. Bono, Sänger von U2, ist ein schillernder Mann, eloquent, weltgewandt und beredt über alle Maßen wie man in der Lesprobe unschwer erkennen kann. Kennengelernt hatte der französische Musikjournalist Michka Assayas die noch unbekannte Band im Jahr 1980, als sie sich in South Kensington eine Zweizimmerwohnung teilte. Eine Weltkarriere und eine fragile Freundschaft später erkor Bono Assayas zu seinem Chronisten. Im Domizil des Rocksängers an der Irischen See wurde 2002 das erste Kapitel eines ungeheuren Fragenmarathons aufgeschlagen. Ein irischer Querdenker offenbart sich -- ohne Punkt und Komma! Gleich zu Anfang landet Assayas einen Überraschungstreffer. Bonos unbewältigtes Verhältnis zu seinem verstorbenen Vater gleicht einer quälenden Erinnerungstour. Der unerreichbare, durch geplatzte Lebensträume zynisch abgepanzerte Mann, geistert noch heute durch die Albträume des berühmten Sohnes. Die fast schon mystische Verbundenheit mit seinen Bandmitgliedern Edge, Larry Mullen und Adam Clayton gerät dafür zur reinen Liebeserklärung. Spätestens bei der Entstehung der Songs wird klar, dass ihr Schöpfer schwer religiösen Spirit atmet. Wir erleben einen Rockstar, der so recht keiner sein will, einen Freund der Schönen und (Einfluss)-Reichen, bei dem selbst Gorbatschow das irische Türglöckchen läutete. Wir bekommen zugeraunt, dass die Topmodels Naomi Campbell und Helena Christensen privat allertiefste Weltseelen sind, die mehr Ahnung von Popmusik haben als mancher Musiker. Doch erst beim Thema Dritte Welt -- speziell Afrika -- hat der überraschend bibelfeste Sänger endlich sein missionarisches Zuhause gefunden. Ein Großteil des Interviews sind Bonos Aktivitäten in Sachen Aidsbekämpfung und Schuldenerlass, fairem Handel, Papstbesuch und Clintonzigarren gewidmet. Ein spannender Wortwechsel, bei dem gegen Ende im Interviewer sogar so etwas wie Ärger aufkeimt, da die Erlösungstiraden des Weltpolitikers Bono den Blick auf den Menschen zu verstellen drohen. Erhellender Ausflug in die Innenwelten eines Gottsuchers, toughen Geschäftsmannes und charmanten Schlitzohrs, der, bei aller Sorge um die Dritte Welt, die Wertsteigerung der Pop-Ikonen U2 niemals aus den Augen verliert. --Ravi Unger Quelle:
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