"...und der Großmogul von Tibet hat sich gleich in sie verliebet..." Wer diesem Kindervers nachtrekken möchte, sollte vorher jedenfalls einen, noch besser mehrere Blicke in die Gebrauchsanweisung für den Himalaja-Staat werfen, die Uli Franz für die treffliche Reihe vorlegt. Wer nicht bei stabiler Gesundheit ist, erfährt der Leser in (noch) bequemer Lage, sollte es auf jeden Fall bei der Lektüre belassen. Denn die Luft da oben auf dem Hochplateau ist dünn. Ab dreitausend Meter droht der Höhenkoller. Feinschmecker und Modefexe kommen auch nicht unbedingt auf ihre Kosten. Tibetreisen erforderten wohl schon immer ein starkes persönliches Motiv, sei es nun die spirituelle Suche oder westliche Entdecker-Eitelkeit. Und immer schon war Tibet das Objekt von Eroberungsgelüsten und okkulten Spinner-Träumen. Bei Uli Franz geht es in dieser Hinsicht erfreulich nüchtern zu. Knapp und sachlich erörtert er das Notwendige aus Kultur, Geschichte und Politik. Manchmal auch fast poetisch: "Wie ein abgewiesener Lüstling umschlich das Empire von nun an die kühle Schönheit Tibet". Sogar ein kleiner Sprachkurs ist dabei, so geschickt, dass der Leser es kaum merkt. Aber auf einmal kann auch er tibetanisch schimpfen, kjagpa so. Den besonderen Reiz machen kleine, nützliche Hinweise zum Alltag aus. Bald schätzt man auch die genauen Beobachtungen des Autors, der nicht unnötig romantisiert: "Jugendliche beiderlei Geschlechts lieben Pullover und Pullunder in knalligen Farben, von Apfelsinengelb bis Pink." Der Geist reist mit und zieht den Körper nach. Denn trotz Yak-Fleisch und Buttertee, trotz Höhenkoller und Atemnot möchte man es dann doch gern selbst riskieren. Die Gebrauchsanweisung hat man ja. --Carl-Ludwig Reichert Quelle:
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