Für den in Modefragen äußerst sensiblen Dandy Oscar Wilde war eine gut gebundene Krawatte "der erste ernste Schritt im Leben" eines Mannes. Aber wie bindet Mann eine Krawatte, und vor allem mit welchem Knoten? Auf dem Gebiet der Krawattologie herrschte bislang einerseits Mangel (nur vier unterschiedliche Bindeweisen fanden Verbreitung), andererseits Konfusion, weil unterschiedliche Knoten mit gleichem Namen bezeichnet wurden (und umgekehrt). Hilfe und Aufklärung liefert -- wie oft bei essentiellen Fragen -- die Wissenschaft. Und wenn zwei theoretische Physiker aus dem englischen Cambridge ein Buch über das Krawattenbinden schreiben, kann man darauf vertrauen, dass sie die Sache gründlich und systematisch angehen: Nämlich mittels einer topologischen Knotentheorie, wobei der Knotungsvorgang "als zusammenhängende Folge diskreter Schritte auf einem Dreiecksgitter" definiert wird. Aber halt! Davon sollte sich kein Leser abschrecken lassen, denn die Krawattenknotentheorie wird samt Formeln und eigener Knotenschreibweise erst im Anhang ausgebreitet. Ansonsten dominieren Charme und Witz das Buch, beispielsweise auf einem kleinen Streifzug durch die Geschichte männlicher Putzsucht, die oftmals im besonders kunstvollen Binden des Halstuches ihren Höhepunkt fand. Sehr lang ist sie zwar nicht, die Geschichte der Krawatte, bietet jedoch so manch nette Anekdote. Außerdem gelingt es den beiden Physikern vortrefflich, das alte Vorurteil von der Praxisferne der Wissenschaft zu erschüttern: Ihre Schlipstipps sind überaus handfest, sämtliche 85 Knoten wurden ausprobiert, kommentiert und einer ästhetischen Prüfung unterzogen. Und weil die streng war, bleiben am Ende 13 wohlgeformte Knoten übrig, die hinsichtlich Symmetrie, Knotengröße sowie Halt- bzw. Lösbarkeit höchsten Ansprüchen genügen. Letzteres gilt uneingeschränkt auch für Die 85 Methoden eine Krawatte zu binden -- also wenn das kein ideales Geschenk für alle Krawattenträger ist, fresse ich einen Schlips. --Christian Stahl Quelle:
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