"Trocken", "dunkel", "allen gewohnten Begriffen widerstreitend und überdem weitläufig" -- mit diesen Worten charakterisierte nicht ohne Selbstironie Immanuel Kant, wenige Jahre nach ihrer Veröffentlichung seine Kritik der reinen Vernunft. Um diesem Missstand abzuhelfen schrieb er die Prolegomena mit dem Ziel, die damals ungewöhnlichen Gedanken seiner kritischen Philosophie einem breiteren Publikum schmackhaft zu machen. So könnte man auch das neue Buch von Robert Brandom beschreiben, der vor einigen Jahren mit seinem durchaus weitläufigen Hauptwerk Expressive Vernunft in der philosophischen Szene Furore machte. Von Jürgen Habermas wurde es als "Meilenstein der theoretischen Philosophie" gefeiert, und inzwischen dürfte es wohl in Deutschland kaum ein philosophisches Seminar geben, das dieses Buch nicht in seinen Lehrplan aufgenommen hätte. Begründen und Begreifen kann zwar als populäre Ergänzung zum Hauptwerk betrachtet werden. Doch wirft es ähnlich wie die Kant'schen Prolegomena ganz eigene Fragen auf und sollte daher als Werk eigenen Zuschnitts betrachtet werden. Brandom nennt es im Untertitel Eine Einführung in den Inferentialismus. Was sich hinter diesem Wort verbirgt wird klar, wenn man sich die beiden Grundideen von Brandoms Philosophie vergegenwärtigt: Begriffe verwenden zu können, bedeutet nach Brandom ihre Rolle im Schlussfolgern zu beherrschen. Und: Die Aufgabe des logischen Vokabulars sieht er dabei darin, die Beziehungen der Begriffe untereinander zu klären und explizit zu machen. Inferentialismus meint demnach, dass die internen Beziehungen zwischen Begriffen als Schlusszusammenhang dargestellt werden können, der ihren diskursiven Gebrauch normativ regelt und der philosophisch geklärt werden kann. Was ist mit diesen auf den ersten Blick sehr abstrakten Überlegungen gewonnen? Immerhin gelingt es Brandom auf dieser Grundlage, eine groß angelegte Theorie vorzulegen, die nahezu alle wichtigen Themen der Philosophie vom Verhältnis der Sprache zur Welt, der Normativität von Denken und Sprechen über die Frage nach der Objektivität des begrifflichen Gehalts bis hin zu einer Theorie der Rationalität, die an Einsichten Hegels anknüpft, in einem systematischen Zusammenhang umfasst. Wer in der Gegenwartsphilosophie mitdiskutieren will, kommt an Brandom nicht mehr vorbei. Das Buch wendet sich vor allem an Leser, die vor einer Lektüre des monumentalen Hauptwerks (noch) zurückschrecken und einen Einstieg in die Philosophie von Robert Brandom suchen. --Jens Kertscher Quelle:
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