Wenn alle Chinesen zugleich aus einem Meter Höhe auf den Erdboden springen würden, hat man früher den Kindern erzählt, dann seien die Erschütterungen noch in Deutschland zu spüren. Heute passiert genau das, zumindest im übertragenen Sinne: China boomt, und die deutsche Wirtschaft erzittert unter den Ausläufern dieses ökonomischen Bebens am anderen Ende der Welt. In einer globalisierten Wirtschaft haben Entfernungen ihre Bedeutung verloren -- und deshalb hat das chinesische Wirtschaftswunder sehr viel mit der wirtschaftlichen Lage Deutschlands zu tun. Das ist das Thema von Frank Sierens Buch Der China Code. Es geht darin um einen Perspektivwechsel: Während deutsche Wirtschaftslenker dem Schwellenland vor nicht allzu langer Zeit noch gute Ratschläge erteilt haben, gelte es heute von China zu lernen, meint Sieren: „Was aus Deutschland wird, entscheidet sich in achttausend Kilometern Entfernung“, lautet die These des Wirtschaftsjournalisten. Wie England zu Zeiten der ersten industriellen Revolution, ist China heute dabei, sich zur Produktionsbasis der Welt aufzuschwingen. Wie ein ökonomischer Durchlauferhitzer saugt das Reisenreich Rohstoffe, Arbeitsplätze und Know-how an und spuckt wachsende Warenströme auf den Weltmarkt. Die chinesische Produktionsmaschine expandiert mit einer Geschwindigkeit, dass andere Volkswirtschaften nicht mehr Schritt halten können. Zumal dann, wenn -- wie bei der deutschen -- ihr Motor stottert. „China sorgt mit dafür, dass die industrielle Basis in Deutschland immer kleiner wird“, warnt Sieren. Und längst wirft China nicht allein Massenware auf den Markt, sondern ist dabei, sich in den Bereich der Hochtechnologie vorzuarbeiten. Das lange unterschätzte Land hat ein „funktionierendes Geschäftsmodell“ entwickelt: „Es verkauft Marktanteile gegen Technologie- und Know-how-Transfer.“ Und holt so mit Siebenmeilenstiefeln auf. Die Lehre? „Sehr schön“ sei Deutschland, zitiert der Autor einen chinesischen Gesprächspartner, „aber leider ein Land ohne Ruckzuck“. -- Winfried Kretschmer Quelle:
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