Aufklärer, Moralist im besten Sinne und Chronist. Der große sizilianische Schriftsteller Leonardo Sciascia gibt in Salz, Messer und Brot Auskunft über die Sozialstruktur und mentalità seiner Heimat Sizilien, die sich spannender liest als die meisten Mafiaromane. Regalpetra, der Ort, von dem Sciascia beispielhaft erzählt, ist ein fiktiver Schauplatz, aber nicht zufällig ähnelt sein Name Racalmuto, der Stadt, wo der Autor 1921 geboren wurde und wo er in einfachen Verhältnissen aufwuchs. "Alle meine Bücher bilden in der Tat ein einziges. Ein Buch über Sizilien, das die schmerzhaften Punkte in Vergangenheit und Gegenwart berührt und sich als Geschichte einer kontinuierlichen Niederlage der Vernunft und all derjenigen darstellt, die in diese Niederlage persönlich hineingerissen und durch sie vernichtet wurden." Sciascia erzählt von Ausbeutern und Ausgebeuteten, komplizierten und gewachsenen Abhängigkeiten, von Freundschaft und von dem fatalen Bewusstsein, alles habe so seine Ordnung und müsse sein, wie es ist. Bei aller Kritik erlaubt er sich allerdings nie die Haltung zynischer Distanz, nie diskriminiert er, vielmehr schreibt er in der Rolle des im wahrsten Sinne Einheimischen, des Dazugehörigen. Wärme und Mitgefühl dominieren, wenn der langjährige Lehrer über seine schwierigen jungen Zöglinge schreibt, die der Straße gehören, wenn vom armseligen Leben der Salz- und Schwefelgrubenarbeiter die Rede ist, selbst dann, wenn Sciascia soziale Hierarchie und politische Verhältnisse seiner Heimat porträtiert. Man sollte dieses Buch als Grundlage seiner großen Romane lesen. Drei seiner besten sind in dem schönen Band Das Gesetz des Schweigens zusammengefasst, der ebenfalls im Zsolnay Verlag erschienen ist. Der Autor, dem es mehr um die Mafia als geistige Disposition als um die Struktur einer Verbrecherorganisation ging, hatte es gerade in seinem Heimatland Italien bis zu seinem Tode 1989 nicht leicht. "... doch braucht man in Italien offenbar nur die Sprache der Vernunft zu sprechen, um schon beschuldigt zu werden, man hänge die rote Fahne aus dem Fenster." Nicht nur damals und nicht nur in Italien. --Ulrich Deurer Quelle:
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