Sie hat keine Erinnerung daran, wie und wann sie hierher gekommen ist. Der stechende Schmerz im Kopf macht jeden Gedanken unmöglich. Es herrscht völlige Dunkelheit. War es ein Unfall? Hat man sie gar lebendig begraben? Eine Ewigkeit war vergangen, bis ihr ihr Name wieder eingefallen war. Langsam erkennt Abbie Devereaux die fürchterliche Wahrheit: Nach einem Schlag auf den Kopf hatte man sie entführt und in einem Kellerverließ auf einem Podest angekettet und geknebelt. Die Drahtschlinge, an der Mauer befestigt, zieht sich bei jeder Bewegung enger um ihren Hals. Und dieses Flüstern ist ganz in ihrer Nähe. Kelly, Kath, Fran, Gail, Lauren. Eine fürchterliche Litanei, die ihr die Stimme ihres Peinigers immer wieder genüsslich ins Ohr murmelt. Durch die Kapuze kann sie ihn nicht sehen, Abbie aber weiß, sie wird das nächste Opfer sein. In endlosen Tagen und Nächten zum Tier herabgewürdigt und gequält bis aufs Blut, beschließt sie, während seiner Abwesenheit selbst ein Ende zu machen. Es wird ein Sprung in die Freiheit. Nach 68 Seiten findet eine haarsträubende und ungeheure Ouvertüre ihr Ende, die in ihrer Brutalität Erinnerungen an Das Schweigen der Lämmer heraufbeschwört. Doch der eigentliche Horror sollte erst beginnen! Nicci French, seit ihrem Erstlingsroman Der Glaspavillon in der gewiss nicht arm bestückten Oberliga englischer Thriller-Autorinnen mit einem absoluten Spitzenplatz versehen, hat sich mit diesem Psycho-Schocker selbst übertroffen. Die Spannung, die sich fortan kontinuierlich hochschraubt, speist sich aus der Tatsache (ein Effekt, den schon Hitchcock weidlich nutzte), dass der Leser selbst die Wahrheit zu kennen glaubt, Abbies unbeweisbare Geschichte jedoch bei Polizei, Psychologen -- ja selbst im eigenen Freundeskreis auf Ungläubigkeit stößt. French gelingt das Kunststück, ihr Verwirrspiel um Abbies Amnesie so weit zu treiben, dass selbst der Leser an ihrer geistigen Intaktheit zu zweifeln beginnt. Auf eigene Faust beginnt Abbie die fehlende Woche vor ihrer Entführung zu rekonstruieren, in der sie sowohl Terry, ihren trink- und schlagsüchtigen Freund, als auch ihre Stellung auf spektakuläre Weise verlor. Wer ist die mysteriöse Jo Hooper, die sie offenbar als Freundin gewonnen hat und die nun wie vom Erdboden verschluckt ist. Wurde auch sie ein Opfer des flüsternden Psychopathen? Abbie Devereaux kann von nun an niemandem mehr trauen. Das grausame Puzzle auf der Suche nach der verlorenen Zeit steuert auf einen grausigen Showdown zu, bei dem selbst Thrillerexperten die Magennerven rebellieren dürften. --Ravi Unger Quelle:
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