Das zweite Buch von Mirjam Pressler ist ein waschechter historischer Roman. Shylocks Tochter spielt im Venedig des 16. Jahrhunderts, mitten in den beiden jüdischen Ghettos, und ist eng an Shakespeares Kaufmann von Venedig angelehnt. Doch mit ihrer liebevollen Gestaltung der Details, ihren sorgfältigen Beschreibungen der historischen Gegebenheiten und vor allem der jüdischen Lebensweise, hat Mirjam Pressler einen eigenen, sehr lesenswerten Roman -- nicht nur für Jugendliche -- geschaffen. Jessica ist sechzehn Jahre alt und lebt mit ihrem Vater im neuen jüdischen Ghetto von Venedig. Für sie ist das Ghetto jedoch weniger Schutz denn Gefängnis. Sie nutzt jede Gelegenheit, um ihre Freundinnen außerhalb zu besuchen, denn die bescheidene, oftmals in ihren Augen geizige Lebensweise ihres Vaters Shylock, einem Pfandleiher, stößt sie ab. "Hätte Gott gewollt, daß wir grau herumlaufen, hätte er uns ein Fell wachsen lassen, wie den Mäusen." Jessica verliebt sich bis über beide Ohren in den Christen Lorenzo, läßt sich taufen und heiratet ihn. Sie weiß, daß sie damit alle Brücken zu ihrem jüdischen Elternhaus abbricht, doch das Glück findet sie an Lorenzos Seite nicht. Tief in ihrem Herzen bleibt sie das jüdische Mädchen aus dem Ghetto, auch wenn die Paläste, in denen sie verkehrt, noch so prunkvoll sind. Shylocks Tochter erweckt das Venedig längst vergangener Jahre noch einmal zum Leben und hält den Leser in der alten Lagunenstadt gefangen. Und mancher wird nach der Lektüre gern den Klassiker von Shakespeare aus dem Regal ziehen. --Manuela Haselberger Quelle:
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