Ralf Dahrendorfs Leben lĂ€sst sich nicht auf einen schnellen Nenner bringen. Das zeigt dieses Buch. Und gerade das macht es so spannend: Dahrendorf war und ist Soziologe, Politiker, Journalist, Lord im britischen Oberhaus, ein stets geistreicher Kommentator des Zeitgeschehens und leidenschaftlich-liberaler Denker. So spricht der Autor in seinen Lebenserinnerungen denn auch selbst von seinen "diversen Vergangenheiten" und erhebt die Lust am Ăberschreiten von Grenzen gleich zu seinem Lebensmotto. Ein faszinierender Mensch hat hier eine Bilanz seines Lebens gezogen oder die eines Teils davon. Denn die spĂ€teren Stationen seines Werdegangs schildert Dahrendorf nur en passant. Sein Hauptaugenmerk gilt der Zeit bis zu seinem 28. Geburtstag, die er als die zentrale Phase seines Werdegangs empfindet: die PrĂ€gung durch seine Familie, die Erlebnisse seiner Jugend im NS-Staat, die Begegnung mit bedeutenden Wissenschaftlern, die Zeit der Ausbildung und des Entdeckens neuer Ziele. Dahrendorf kam 1929 zur Welt. Sein Vater war in der Weimarer Republik sozialdemokratischer Politiker, im Dritten Reich engagierte er sich im Umkreis der WiderstĂ€ndler des 20. Juli. Auch Ralf Dahrendorf geriet schon in jungen Jahren in die FĂ€nge des NS-Staates: Weil er Mitglied einer regimekritischen SchĂŒlergruppe war, inhaftierte ihn die Gestapo mehrere Wochen lang. Diese Gefangenschaft, schreibt Dahrendorf, habe ihn fĂŒr sein ganzes Leben "immun gemacht gegen die Versuchungen jeder Art von Totalitarismus". Nach dem Krieg schlug der Autor den Pfad der Wissenschaft ein: Mit 28 Jahren war er bereits Professor fĂŒr Soziologie in Hamburg, spĂ€ter berief man ihn zum Direktor der renommierten London School of Economics. Je grĂŒndlicher er die RealitĂ€t analysierte, desto gröĂer wurde die Verlockung, diese auch aktiv zu gestalten. Als StaatssekretĂ€r unter BundesauĂenminister Walter Scheel, schlieĂlich als EG-Kommissar und dann als Lord im britischen Oberhaus hatte er reichlich Gelegenheit dazu. Dahrendorfs Erinnerungen sind in schöner, klarer Sprache verfasst, durchgehend getragen von intellektuellem Witz und feiner Ironie. Er blickt auf sein Leben mit einer sympathischen Gelassenheit zurĂŒck, nicht ohne Stolz, aber ohne jede Ăberheblichkeit und mit einer gesunden Distanz zu sich selbst. Und man ahnt: Dieser Mann wird in seinem Leben noch so manche Grenze ĂŒberschreiten. --Christoph Peerenboom Quelle:
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