Wenn die meisten "normalen" Menschen ein so zwiespältiges Verhältnis zur Mathematik haben, läßt das dann den Umkehrschluß zu, Mathematiker seien irgendwie "unnormal"? Nun, Paul Erdös, einer der größten Mathematiker dieses Jahrhunderts, ist tatsächlich ein außergewöhnlich merkwürdiger Zeitgenosse gewesen. Das wird schon bei der Lektüre der ersten Seiten dieses bemerkenswerten Buches deutlich. Die skurrilen Geschichten und Anekdoten, die Erdös auf seinen zahllosen Reisen hinterließ, sind wirklich überaus amüsant und zeichnen das Bild eines liebenswürdigen und kauzigen Exzentrikers, der kein festes Zuhause besaß und dem mit über 1500 Veröffentlichungen ein geradezu aberwitziger wissenschaftlicher Erfolg beschieden war. Bei dem ungarischen Wissenschaftler vereinigten sich ganz offensichtlich die Extreme menschlicher Verhaltensweisen: Hier der witzelnde Sonderling, der irgendwann anfing, seinem Namen alle fünf Jahre merkwürdige Kürzel hinzuzufügen, wie PGOM (Poor Great Old Man), AD (Archeological Discovery) oder LD (Legally Dead), dort ein begnadeter Mathematiker, dem neben der "Ramsey-Theorie" oder dem elementaren Beweis des Primzahlsatzes eine ganze Reihe von Geniestreichen zu verdanken ist. Bruce Schechter hat den ungarischen Mathematiker selber niemals getroffen -- was im übrigen kaum einer seiner Kollegen von sich behaupten kann. Wahrscheinlich ist das auch gut so, denn die Einzigartigkeit und zuweilen auch Unerträglichkeit von Paul Erdös hätten es einem, ihm dauerhaft nahestehenden, Menschen wohl einigermaßen schwer gemacht, diese Lebensgeschichte so zu erzählen, wie es einem Außenstehenden möglich ist. Die Mathematik und vor allem die Beweise, für die sich Erdös zeitlebens begeistert hat, sind ein wichtiger Teil dieses Buches, aber eben nur ein Teil dieser einzigartigen Persönlichkeit, dessen Menschlichkeit hinter dem zuweilen grotesken Erscheinungsbild niemals verblaßt. Kopfschüttelnd, schmunzelnd und ungläubig liest man sich fest in diesem Buch an dessen Ende man verstehen wird, was es auf sich hat mit dem auf tausend Flughäfen, an tausend Gastgeber gerichteten Gruß: "Mein Geist ist offen...". --J. Schüring Quelle:
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