Die rätselhaften Bilder des niederländischen Malers Hieronymus Bosch (ca. 1450-1516) üben bis heute eine ungebrochene Faszination auf ihre Betrachter aus. Dies gilt besonders für das großartige dreiteilige Altarbild, das nach seinem Mittelbild "Der Garten der Lüste" benannt wurde, und schon zu Lebzeiten des Malers berühmt (und wohl auch berüchtigt) war. Eine ganz eigentümliche Bilderwelt tritt hier dem Auge entgegen, überaus reich bevölkert mit bizarren Gestalten und monströsen Erscheinungen, die wie eine seltsame Mischung aus mittelalterlicher Fantastik und dem Surrealismus moderner Künstler wie Salvatore Dali oder Max Ernst anmuten. In feinsten Details und intensiven Farben malt Bosch Fabelwesen zwischen Tier und Mensch, lässt Früchte auf Beinen wandeln oder baut ätherische Paläste aus gläsernen Röhren. Der ungewöhnlichste Aspekt liegt jedoch in der freizügigen Darstellung nackter Körper und sich liebkosender Paare im dominierenden mittleren Teil des Triptychons, wo Menschen jeder Herkunft friedlich und im Einklang mit der Natur sich in einer Art Paradies recht irdischen Wonnen hingeben. Verständlich, dass der "Garten der Lüste" nie den Altar einer Kirche schmückte, sondern zunächst im Brüsseler Palast der Grafen von Nassau das Auge seines Auftraggeber erfreute, bis es später nach Spanien gelangte, wo es heute im Prado in Madrid zu sehen ist. Der "Garten der Lüste" ist so unkonventionell, so beispiellos in seiner ungezügelten Bildfantasie und ein so offenkundiger Bruch mit den Konventionen des Altarbildes, dass ganze Generationen von Kunstkennern und -liebhabern nach einem tieferen, geheimen Sinn des Bildes gesucht haben. Während die einen die Kunst Boschs als Rebellion gegen die Sinnenfeindlichkeit der Kirche und den "Garten der Lüste" als häretisches Meisterwerk feierten, vermuteten andere verdeckte Botschaften aus Mystik und Alchemie. Hans Belting, renommierter Kunsthistoriker und Professor am Karlsruher Zentrum für Kunst und Medien (ZKM), betont dagegen die künstlerischen Ambitionen des Malers, der die Fiktion einer Welt ohne Sündenfall bildhaft umsetzt -- nicht als vergangenes, verlorenes Paradies, sondern als vorstellbare Utopie. Beltings Interpretation besticht gerade durch die Darstellung der vielfältigen Bezüge von Boschs eigenwilliger Fantasiewelt zu kulturellen und politischen Vorstellungen im Zeitalter der Entdeckungen und des Humanismus. Im Zusammenspiel mit den neuen Einsichten, die man so bei der Lektüre gewinnt, laden besonders die zahlreichen exzellenten Detailabbildungen des Bandes immer wieder zu einem Besuch im "Garten der Lüste" ein. --Peter Schneck Quelle:
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