Stanley Kubrick (1928-1999) war eine Art Fotograf unter den Regisseuren. Im Science-fiction-Epos 2001. Odyssee im Weltraum von 1968 gibt es Sequenzen, die sich dem Standbild nähern. Und noch in der kongenialen Stephen-King-Verfilmung Shining (1980) werden Kubricks Anfänge als Fotoreporter der Zeitschrift Look im (symmetrischen) Bildaufbau überall offenbar. Bezeichnenderweise endet Shining mit dem Blick auf ein gerahmtes Gruppenporträt, in dessen Mitte Jack Nicholsons gefrorenes Grinsen die Filmzeit stehenbleiben läßt. Jetzt ist mit Still Moving Pictures. Stanley Kubrick: Fotografien 1945-50 ein Sammelband erschienen, der den Regisseur als eine Art Filmemacher unter den Fotografen ausweist: Digital aufbereitete Serien für Look, die Kubrick vor seinem ersten Dokumentarfilm Der Tag des Kampfes (1950) über den Mittelgewichtsboxer Walter Cartier publizierte. Abgelichtet werden Geschichten von Menschen auf der Straße in Chicago oder in der Subway von New York, im Wartezimmer einer Zahnarztpraxis oder beim Baseballspiel: Erstarrte Bewegungen allesamt -- wie jene umwerfende Aufnahme vom Knockoutkampf Cartiers, dessen Alltag Kubrick zunächst mit seiner schweren Graflex-Fotokamera einfing, bevor er ihn verfilmte. Um höhere Authentizität zu erreichen, versteckte Kubrick seinen Fotoapparat schon mal in einer präparierten Papiertüte. Die durchdachten Schnappschüsse von Montgomery Clift oder den verblassten Sternchen Faye Emerson und Betsy von Fürstenberg spiegeln Kubricks frühes Interesse an der Schauspielzunft; andere Fotos wirken bereits wie Standfotos vom Set der Klassiker Lolita (1962) oder Dr. Seltsam (1964): Still Moving Pictures eben. Alles in allem besteht nun endlich die Chance, die teils sensationellen Fotografien Stanley Kubricks zu entdecken. Wünschenswert ist dabei ein Betrachter, der sich den Ratschlag der Hauptfigur von Kubricks Clockwork Orange (1971) zu Herzen nimmt: "Viddey well" -- "Sieh richtig hin". --Thomas Köster Quelle:
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