Wolfgang Willaschek nimmt es auf sich, in 50 Klassiker Oper die wichtigsten musikalischen Bühnenwerke, das verspricht der Untertitel, einzuführen: ein Opernführer also. Noch dazu, so der äußere Eindruck, ein Fastfood-Opernführer, in der Reihe Gerstenberg visuell -- reich bebildert und mundgerecht aufbereit: Oper zum Zugreifen, für die schnelle Information, "Oper für alle" auf den kleinsten gemeinsamen Nenner gebracht? Weit gefehlt. Dem langjährigen Dramaturgen der Hamburger Staatsoper, der darüber hinaus an allen wichtigen Orten des gegenwärtigen Musiktheaterbetriebs wirkte und wirkt, ist mit diesem Band eine hoch sensible Gratwanderung geglückt. Zwischen den gängigen, klassischen Opernführern nämlich, die in veralteter Sprache eine komplexe Handlung umständlich umkreisen sowie bestenfalls biografische Anekdoten der Entstehungsgeschichte wiedergeben, und anspruchvolleren Interpretationen tut sich oft eine kaum zu überbrückende Kluft auf. Willaschek ist es gelungen, beides -- konzentrierte Information zum Werk und anspruchsvollere Deutung -- zu verbinden. Möglich wird das durch ein auf den ersten Blick etwas gewöhnungsbedürftiges System von Kurzübersichten und Zusammenfassungen. Zum Beispiel Mozarts Cosi fan tutte: Wer das Stück nicht kennt, kann eine präzise Wiedergabe des Handlungsablaufs lesen, ebenso verknappt wie in den üblichen Opernführer, jedoch in einer weit zeitgemäßeren Sprache. In der Rubrik "Daten" erfasst er auf einen Blick den Librettisten, Ort und Zeit der Uraufführung, Spielzeit und die Personen. Auch über Mozarts Leben gibt ein eigenes Kästchen Aufschluss. Verknappt bieten diese Übersichten all das, was auch bisher Opernführern zu entnehmen war. Das Herzstück des Buches bilden aber Kurzessays zu den einzelnen Werken, in dichtem Stil geschriebene, luzide (Neu-)Interpretationen der ausgewählten Opern. So ist für Willaschek Cosi fan tutte ein "erotischer Psychokrimi", ein aufklärerischer Diskurs über Liebe und Treue, ein Experiment das scheitert und gerade durch das Scheitern die Unbeständigkeit der Gefühle evident macht. Eine existentielle Unbeständigkeit, die am Ende nicht in die Katastrophe, nicht zu heuchlerischer Harmonie, sondern zu einer Laisser-faire-Haltung führt: Das Leben geht weiter. Auf einmal ist uns das Rokoko nicht mehr so fern. Auch alle Essays Willascheks schaffen ähnliche Aktualisierungen, ohne platt zu werden. Ein Buch also, für Einsteiger und Fortgeschrittene! --Jürgen Dendorfer Quelle:
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