"El segundo descubridor" -- der "zweite Entdecker Amerikas", mit diesem Ehrennamen versahen die Bewohner Kubas den deutschen Weltreisenden und Naturforscher Alexander von Humboldt, der von 1799 bis 1804 den südamerikanischen Kontinent bereiste und in eindrucksvollen Bildern und Erzählungen beschrieb. Das wohl ehrgeizigste Buch, das Humboldt über die Reise zusammen stellte, die Ansichten der Kordilleren und Monumente der eingeborenen Völker musste allerdings fast 200 Jahre warten, um heute endlich in einer deutschen Fassung vollständig und mit all den grandiosen Illustrationen und Farbtafeln, die den Reiz des Buches ausmachen, erscheinen zu können. Das Verdienst dafür gebührt der Anderen Bibliothek Hans Magnus Enzensbergers im Eichborn Verlag ebenso wie der exzellenten Übersetzung, besorgt von Claudia Kalscheuer, und der Edition durch Oliver Lubrich und Ottmar Ette. Das Ergebnis ist nicht nur für den Leser der Gegenwart beeindruckend, sondern vermittelt auch etwas von der Attraktion, die das Buch bei seinem Erscheinen auf seine Leser ausübte: Die Ansichten der Kordilleren zählten außerhalb Deutschlands zu den Büchern, die Alexander von Humboldts internationalen Ruhm begründeten. Die ungebrochene Faszination von Humboldts Reisebericht liegt vor allem in der offenen und flexiblen Form, die der Forscher nutzte, um seinem Publikum in wissenschaftlich versierter und zugleich eingängiger Prosa die geographischen und kulturellen Besonderheiten Südamerikas nahe zu bringen. Im Mittelpunkt stehen nämlich die Bilder, oder besser: die neunundsechzig 'Ansichten' der 'Neuen Welt', anhand derer Humboldt ein faszinierendes Panorama von Natur und Kultur entwirft. In einer Mischung aus Reisebericht, persönlicher Erzählung, sensibler Kunstbetrachtung und exakter naturwissenschaftlicher Beschreibung wendet sich Humboldt unterschiedlichsten Phänomenen zu wie dem komplexen Kalendersystem der Maya oder aztekischen Handschriften mit ihren geheimnisvollen bunten Bildzeichen. Er beschreibt Skulpturen, Kultgefäße und beeindruckende Tempelanlagen, aber auch Zeugnisse handwerklichen Könnens, wie die kunstvolle Seilbrücke über einen der zahlreichen Flüsse, und vor allem die grandiosen Berge der Hochanden, wie den Chimborazo, mit fast sechstausend Metern zur damaligen Zeit einer der höchsten Gipfel der Welt -- den Alexander von Humboldt ohne Sauerstoffmaske, dafür aber mit Stulpenstiefeln bewältigte. Neben dem Kosmos und den Ansichten der Natur stehen die Ansichten der Kordilleren für Alexander von Humboldts überragende Stellung als moderner Naturforscher, deren Lektüre auch nach fast 200 Jahren immer noch zu faszinieren vermag. --Peter Schneck Quelle:
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