Wer den russischen Präsidenten Wladimir Putin zu Beginn seiner Amtszeit für zu schwach hielt, um sich in Moskau lange an der Macht halten zu können, wurde schon bald eines Besseren belehrt. Im und um den Kreml kann sich der frühere Geheimdienstmann auf eine schlagkräftige Hausmacht stützen, und auch in der Bevölkerung verfügt er heute über einen sicheren Rückhalt. Freilich nicht bei den nach Unabhängigkeit strebenden Tschetschenen, die er -- wenn auch bislang vergeblich -- mit der geballten russischen Militärmacht zur Einsicht bringen will, sich nicht länger dem russischen Herrschaftsanspruch zu widersetzen. Bei all dem Ungemach, das der Tschetschenien-Konflikt und die ebenfalls noch nicht besiegte Korruption dem russischen Präsidenten bereiten: Kaum jemand bezweifelt, dass er bei den nächsten Wahlen in seinem Amt bestätigt werden wird -- ganz im Sinne der Regierungen im Westen, die Putin als einen verlässlichen Partner schätzen gelernt haben. Zugleich aber ist es alles andere als ausgemacht, dass der Weg Russlands wirklich in die Demokratie führen wird, wie Putins westliche Freunde hoffen. Boris Reitschuster, der seit Anfang der 1990er-Jahre als Journalist in Moskau lebt, hat Putin über Jahre aus der Nähe studieren können. Und studieren können hat er dabei vor allen Dingen auch, dass der Putin'sche Machtapparat sich in einem in vielerlei Hinsicht schwer berechenbaren Umfeld behaupten muss. Vielleicht auch deshalb ist es bis heute nur schwer vorhersehbar, auf welchen Wegen und wohin Putin selbst Russland in Zukunft führen will. Reitschuster jedenfalls scheint keine allzu große Hoffnung auf eine rasche Demokratisierung zu haben: "So wahrscheinlich es ist, dass Putin im Jahre 2008 irgendeinen Ehrenposten bezieht, sich damit freiwillig von der Macht verabschiedet, wie es die Verfassung vorschreibt, und so ein wichtiges Signal setzt, so unwahrscheinlich ist es, dass tatsächlich die Wähler entscheiden, wer sein Nachfolger wird -- alles spricht dafür, dass sie erneut einen Kronprinzen oder den Sieger eines Kreml-Machtkampfes zum Abnicken vorgesetzt bekommen." Und nach allem, was Reitschuster in seinem lesenswerten Buch über die politische Gegenwart Russlands berichtet, besteht zu mehr Hoffnung in der Tat wenig Anlass. --Andreas Vierecke Quelle:
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