Die lesbische New Yorker Schriftstellerin Sarah Schulman wird von der Literaturkritik weltweit seit Jahren unterschätzt. Punkt. Obwohl sie bereits eine Reihe aufregender Romane vorgelegt hat (alle bei Ariadne), die sowohl hochpolitisch als auch sexy sind, hat sie nie den Sprung in die Feuilletons geschafft, und auch den Lesben selbst scheint sie im Ganzen zu düster zu sein. Denn eines ist Sarah Schulman: unversöhnlich und nicht selten traurig bis bitter. Sie kritisiert die sentimentale "Falschheit der christlichen Ethik", die nur den Mächtigen dient: "Am Ende siegt nicht das Gute. Das Leiden macht dich nicht besser. Es gibt keinen göttlichen Plan, der die Schmerzen rechtfertigt." Die Verbrecher werden nie zur Verantwortung gezogen, sondern im Fernsehen geehrt, während widerständische Intellektuelle in den USA zeitlebens arm bleiben, der Preis für ihre Integrität. Ehre sei unheilbar, erklärt die Icherzählerin Sylvia Golubowsky, eine jüdische, lesbische Schrifstellerin wie Schulman selbst. In Schimmer werden verschiedene Minderheiten-Schicksale quasi filmisch gegeneinander geschnitten: Da ist der schwarze Dramatiker Calvin Byfield, dessen Stücke aus Rassismus nicht aufgeführt werden, und seine Frau Caroline Hall, eine weiße Pianistin. Während der erbitterte Byfield nicht aus seiner schwarzen Haut kann, kann die weiße, heterosexuelle Frau sehr wohl den Rückzug aus der selbstgewählten Bohème antreten. Jane Fonda, inzwischen wiedergeborene Christin, lässt grüßen. Warum ist die Handlung des Romans in die 50er-Jahre versetzt? Damit man sieht, dass sich seit McCarthy nichts Grundlegendes verändert hat. Alle Hoffnungen, wie sie in den späten 60ern aufblühten (Black Panther, Gay Liberation etc.), haben sich in den USA nur zu einem Bruchteil erfüllt. Schimmer ist der klare Höhepunkt von Sarah Schulmans Schaffen, indem es ihr mehr denn je gelingt, individuelle Schicksale, wie sie durch Klasse, Rasse, Geschlecht und sexuelle Orientierung geformt werden, in eine brillante exemplarische Zusammenschau zu bringen. Und am Ende sind Sie keineswegs deprimiert, sondern um Erkenntnisse reicher -- und verdammt wütend. --Stephanie Sellier Quelle:
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