Gleich das erste Kapitel lautet „Die Hölle“. Nichts da mit langem Gerede über die jahrelange Tourvorbereitung und die aufwändige Sponsorensuche -- dieser Teil folgt erst später. Nein, die beiden Frauen Liv Arnesen und Ann Bancroft gehen gleich zur Sache, an den kritischen Punkt der gesamten Antarktis-Expedition. Über den schreibt die Amerikanerin Bancroft, dass sie „noch nie in ihrem Leben einem körperlichen und psychischen Zusammenbruch so nah“ war. Und damals hatte sie bereits eine schwierige Nordpol- und viele andere Abenteuerexpeditionen hinter sich... Dieser schnelle, unverblümte Einstieg entspricht dem abenteuerlichen Naturell der beiden gleichermaßen ausdauer- und mental starken Frauen und setzt sich in seinem Stil im gesamten Buch fort. Der Tenor: Arnesen und Bancroft beschönigen nichts. Mitreißend und authentisch erzählen die beiden abwechselnd von den Strapazen der Tour, den stechenden Schmerz in Knien und Schultern, den Tränen der Wut und der Freude, der Verzweiflung und der Hoffnung. Gleichzeitig machen sie mit ihrer Antarktisdurchquerung -- sie sind die ersten Frauen, die den weißen Kontinent zu Fuß und mit Skisegeln durchqueren, und das im Jahr 2000/2001 -- Millionen von Menschen Mut. Ihre Zielgruppe sind vornehmlich Frauen und Jugendliche, für die die beiden ehemaligen Lehrerinnen sogar ein zusätzliches Online-Lehrangebot erarbeiteten, das im Buch ebenfalls immer wieder erwähnt wird. Aber Achtung: Nur den Horizont im Blick ist mindestens genauso für Männer geeignet. Schließlich sind die Norwegerin Arnesen und Bancroft -- wenn man das Ganze auf die philosophische Ebene heben will -- moderne Heldinnen, die einen Mythos zum Leben erweckt haben, der in allen Menschen schlummert. Und wer ihre unverfälschten Abenteuer liest, wird schnell von einer großen Sehnsucht ergriffen. Auch wenn die Expedition dabei den eigentlich geplanten Endpunkt nicht ganz erreichte, liefert die Tour doch den eindrucksvollen Beweis, wozu Menschen fähig sind, sobald sie etwas nur erreichen wollen. Und dass nach der „Hölle“ durchaus der „Himmel“ folgen kann.-- Christian Haas Quelle:
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