In der Nacht vor der Scheidung gerät Richter Christoph Kömüves ins Träumen, über sein eigenes Leben, über sein eigenes Lieben -- und das, obwohl es sich gar nicht um seine eigene Scheidung handelt. Ein Mann will sich von seiner Frau trennen: ein Mann, mit dem er in seiner Jugend gern befreundet gewesen wäre, auch wenn es trotz offenkundiger Sympathie von beiden Seiten nie zu einem wirklichen Gespräch zwischen dem angesehenen Richter und dem bekannten Arzt gekommen ist. Am Tag vor der Scheidung soll sich das ändern, und zwar aus tragischem Anlass. Denn der Arzt ist gekommen, um Kömüves sein Herz auszuschütten und ihm mitzuteilen, warum er seine Frau kurz vor der juristischen Trennung getötet hat. Der Fall ist umso prekärer, als der Richter einmal in eben jene Frau verliebt gewesen ist. Sándor Márai ist ein Meister der leisen Zwischentöne, vor allem der zwischenmenschlichen. Es gibt wohl keinen, der die Freuden und Leiden der Liebe derart nuancenreich und präzise zu beschreiben vermag. Wer befürchtet hat, dass der Piper Verlag nach der Wiederentdeckung dieses großen Autors nach der Neuveröffentlichung seines Romans Die Glut einen nach dem anderen Márai-Roman nur deshalb neu verlegen würde, um den Erfolg des ersten finanziell auszuschöpfen, wird jedes Mal eines Besseren belehrt. Es ist schon erstaunlich, wie man der "Schreckensherrschaft der Liebe" immer wieder neue Fassetten abgewinnen kann. Márai hat das gekonnt. So ist auch der Roman Die Nacht vor der Scheidung Unterhaltung auf höchstem psychologischem Niveau: "gelassen und leidenschaftslos, furchtlos und erhaben" erzählt wie der Lebensrückblick seiner Hauptfigur. --Isa Gerck Quelle:
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