Wolfgang Leonhards 1954 erstmals erschienenes Buch Die Revolution entlĂ€Ăt ihre Kinder, ist lĂ€ngst zu einem Klassiker der Kommunismusforschung avanciert. Zu Recht, denn auch nach 45 Jahren hat es nichts von seiner AktualitĂ€t und Brillanz verloren. Wer die inneren Funktionsmechanismen des Stalinismus verstehen will, kommt an Leonhards Buch nicht vorbei. Doch was macht das Besondere seiner Arbeit aus? Der Autor genieĂt einen entscheidenden Vorteil bei der Analyse des Stalinismus: Die Erfahrungen eines zehnjĂ€hrigen Lebens in der Sowjetunion und der vierjĂ€hrigen TĂ€tigkeit als FunktionĂ€r im zentralen Apparat der SED-FĂŒhrung. 1935 nach Moskau emigriert, erlebte Leonhard die groĂe stalinistische SĂ€uberung der Jahre 1936 bis 1938 und wurde ab 1942 auf der Schule der Kommunistischen Internationale zum FunktionĂ€r ausgebildet. Im Mai 1945 kehrte er zusammen mit Walter Ulbricht nach Deutschland zurĂŒck. Bis zu seiner ĂŒberraschenden Flucht nach Jugoslawien im MĂ€rz 1949 war er im Zentralkomitee der KPD/SED mit der ideologischen Schulung der ParteifunktionĂ€re betraut. In dieser Funktion lernte Leonhard viele der damaligen ReprĂ€sentanten der sowjetischen Besatzungszone und der spĂ€teren DDR persönlich kennen. Es ist diese intime Kenntnis der inneren Mechanismen des Systems: Die Möglichkeit, sich in die Menschen der kommunistischen Welt hineinzudenken und die FĂ€higkeit, die fĂŒr viele so rĂ€tselhafte ideologische Wortklauberei entziffern zu können, die sein Werk auszeichnen. Vieles, was dem AuĂenstehenden oft so unwahrscheinlich anmutet, erscheint dem frĂŒheren FunktionĂ€r "von drĂŒben" wie ein offenes Buch. Diese Kenntnisse befĂ€higen Leonhard, die Entwicklungen in der kommunistischen Welt objektiv zu analysieren. "GleichermaĂen entfernt von primitivem Antikommunismus und den HaĂgefĂŒhlen, aber auch von SchönfĂ€rberei und Illusionen", wie er 1990 anlĂ€Ălich der Neuauflage von Die Revolution entlĂ€Ăt ihre Kinder schrieb. Es ist dieser unverfĂ€lschte Blick eines Insiders, der dem Buch jenes MaĂ an AuthentizitĂ€t und GlaubwĂŒrdigkeit verleiht, das es bis heute auszeichnet. --Stephan Fingerle Quelle:
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