National Geographic spielt seit mehr als 100 Jahren in der Champions League der internationalen Fotografie. Nach dem Erfolg des meisterhaften Bildbandes Best of National Geographic durchforsteten die Produzenten erneut das Archiv und wählten aus rund zehn Millionen Aufnahmen wieder 250, mitunter sogar unveröffentlichte Glanz-Leistungen. Während im Vorgängerband Landschaften, Tiere und Menschen abgebildet wurden, beschränkt sich der opulente 500-Seiten-Schmöker Best of National Geographic. Die faszinierendsten Gesichter der Welt auf Porträts. Andererseits darf der Leser den Titel auch nicht all zu wörtlich nehmen, denn auf vielen Bildern ist viel mehr zu sehen als das bloße Antlitz der Fotografierten. Doch ob Nah- oder Gruppenaufnahme: Der fotografische Ritt durch die Jahrzehnte und durch sämtliche Kulturkreise ist einfach überwältigend. In fünf Kapiteln, die jeweils von kleinen Essays begleitet werden, begibt sich der staunende Betrachter gleichzeitig auf eine Zeitreise der Fotographie. Los geht es mit nostalgischen Schwarz-Weiß-Porträts und Bildern in warmen Sepiatönen. Im Anschluss faszinieren handkolorierte Fotografien der 1920er- und 1930er-Jahre, später knallige Kodachrombilder der Nachkriegszeit. Stilistisch wieder ganz anders folgen schließlich dokumentierende und zuweilen sehr gesellschaftskritische Bilder. Eine Reihe aktueller Aufnahmen der vergangenen Jahre rundet das gelungene Potpourri ab. Interesse an einigen Zutaten? Einmal sind südafrikanische Jungen bei einem uralten Männlichkeitsritus zu sehen, an anderer Stelle eine Gewehr reinigende Soldatin unter der Friseurhaube, weiter hinten dann Tausende, junge und verschwitzte Fans bei einem Rockkonzert, eine trauernde Bulgarin, ein sinnierender Papst Johannes Paul II. oder die ulkig verkleideten „Lobsterfrauen“ beim Hummerfestival in Maine. So unterschiedlich die oftmals auf Doppelseiten platzierten Aufnahmen in Stil und Machart auch sind: Sie alle berühren, schockieren oder verzaubern den Betrachter, in dem sie Freude, Stolz, Trauer und Hoffnung der Porträtierten hervorragend zum Ausdruck bringen. Was die Porträtierten ihrerseits ausdrücken: Sie wissen nicht, dass in jenem Moment ein Auslöser gedrückt wurde. Zumindest sieht man es ihnen nicht an. Und so fangen die weltberühmten Fotografen William Allard, Jodi Cobb, Steve McCurry, Sam Abell, Lynn Johnson, David Harvey und Co. das ungeschminkte Leben ein. Oder anders gesagt: Der schwergewichtige Bildband ist ein wahres Sammelsurium ungewöhnlicher Fotos von gewöhnlichen Menschen. Gäbe es einen Fotobuch-Pokalwettbewerb, das vorliegende Werk würde es locker ins Finale schaffen. --Christian Haas Quelle:
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