Als sich HipHop in den spĂ€ten 1970er-Jahren in den New Yorker Stadtteilen Harlem und Bronx als eine neue Musikbewegung zu formen begann, hĂ€tte wohl niemand daran gedacht, dass sie jemals gleichberechtigt neben Soul, Jazz, Blues oder Reggae in den PlattenlĂ€den stehen wĂŒrde. Selbst als Grandmaster Flash und Kurtis Blow in Deutschlands Diskotheken liefen, sprachen viele noch von einem kurzlebigen Trend. HipHop hat alle Zweifler abgestraft. Der freie Autor und Journalist Jan Kage, der unter anderem fĂŒr rap.de, Jungle World oder Intro schrieb, zeichnet in seinem Buch American Rap die Geschichte des einst als Wild Style bezeichneten Genres nach. Kage verzichtet auf eine langweilige AufzĂ€hlung chronologischer Ereignisse, um HipHop stattdessen in einen politischen und soziologischen Kontext einzubinden. Dass Kage das Thema "afroamerikanische IdentitĂ€t im HipHop" fĂŒr seine Abschlussarbeit zum diplomierten Sozialwissenschaftler wĂ€hlte, ist American Rap im ersten Teil spĂŒrbar anzumerken. Etwas akademisch handelt er so hoch interessante Themen wie die Sprache in schwarzer Musik ab, da bleibt dem B-Boy manchmal nur der Griff zum Fremdwörterlexikon. Auch das Englisch-Lexikon sollte zur Hand liegen, denn die Zitate werden nicht ĂŒbersetzt. Hat man sich durch die ersten Seiten gekĂ€mpft, beginnt der LesespaĂ. Sehr transparent fĂŒhrt der bekennende HipHop-Fan Kage an die musikalischen Herkunftsorte heran, bindet politische EinflĂŒsse (Nation Of Islam, Malcolm X, Black Panther) ein, erinnert an Traditionen und schafft Analogien vom HipHop zur Sklaverei. Mit wenigen SĂ€tzen gelingt dem Autor die ErlĂ€uterung der DJ-Kultur, die Bedeutung der Graffitikunst und des Samplings. Beim Thema "Sample" fehlt vielleicht ein tieferer Einblick in die urheberrechtliche Problematik, denn schon seit langem behindern die Kosten und das Einholen von Sample-Rechten die kĂŒnstlerische Entwicklung. Welche Entwicklung hĂ€tte (nicht nur) HipHop genommen, wĂ€ren Samples schon in den frĂŒhen 80er-Jahren verhindert worden? Klar, dass Kage sich Zeit fĂŒr das Label Def Jam, Public Enemy, KRS-One, Wu-Tang Clan, Eminem, die Entmystifizierung des in der Reagan-Bush-Ăra entstandenen Gangsta-Rap und oder die Native-Tongues-Family nimmt. Schade, dass die Label Cold Chillin', Wild Pitch und Tommy Boy genauso wenig Raum bekamen, wie der mit Ausnahmen von Queen Latifah Female Rap. Auch beim Thema "Illness" bleibt es bei den notorisch VerrĂŒckten ODB und Flavor Flav, was aber ist mit Kool Keith und dem Label Word Sound? Bei der Abhandlung des Themas "Gangsta Rap" und den wichtigsten Vertretern N.W.A. unterlĂ€uft Kage ein schwerer Fehler. Nicht die Band um Ice Cube befand sich erstmalig im Visier des FBI, schon 1964 belauschte die Behörde in einem Ă€hnlichen Anfall von Sittenparanoia die Kingsmen wegen deren Hit "Louie, Louie". DafĂŒr entschĂ€digen die aufschlussreichen Interviews mit RZA und dem Spoken-Word-KĂŒnstler Mike Ladd. Je nach musikalischem Geschmack, kann sich wohl jeder ĂŒber das Fehlen etlicher Rap-Lieblinge beschweren, doch Jan Kage ging es um das PhĂ€nomen HipHop. Und das hat er AuĂenstehenden wie Insidern ein StĂŒckchen nĂ€her gebracht. --Sven Niechziol Quelle:
|